Es sah von Anfang an schlecht aus. Die ganze vorhergehende Woche zeigten die verschiedenen Wetterseiten nur graue und trübe Aussichten sodass es auf den verschiedenen Kommunikationskanälen zu heftigen Diskussionen über Sinn und Unsinn der Reise ins Tessin kam. Die Folge dessen: einer sagte ab, fünf gingen trotzdem. Fortan stand das Wochenende halt nicht mehr unter dem Motto „Kilometer fressen“ sondern ganz modern „Teambuilding“. Für den Samstagmorgen machte man aus dass gemeinsames Frühstück auf dem Plan steht und danach entschieden wird was geschieht. Und tatsächlich, es war trocken. Zwar etwas kühl, aber dafür hat man ja eine gute Ausrüstung. So schwangen sich die fünf um Punkt 10 Uhr in Locarno aufs Rad und fuhren Richtung Centovalli. Nix mit einfahren, nix mit warmmachen, es ging gleich los. So schnell, dass Patrick nicht mal den Fotoapparat aus der Hand legen konnte sondern einhändig die steile Rampe hochtreten musste. Stefan war da schon abgehängt, er musste am Brunnen erst noch seine Flasche füllen.
Danach ging es gemächlich ins Tal hinein, immer weiter, Kehre für Kehre, Brücke für Brücke. Abwechslungsreich. Nicht was die Strecke anging, die stieg immer an, aber was die Umgebung betraf. Wiesental, Oristal und Ergolztal und wie die Täler zu Hause alle heissen sind gut und recht und vielfach erprobt. Zwischendurch mal was Neues ist aber eben doch auch reizvoll. Allein deswegen hat sich der Weg schon gelohnt.
Nach rund einer Stunde und 20 Kilometern dann das Erstaunen: am Ende der Brücke ein grosses Schild mit der Aufschrift „Italia“. Trotz Kartenstudium wurde der Grenzübertritt übersehen. Doch egal, die ID hat ja jeder mit, Euro sind auch genug dabei, also weiter. Über die Strassenqualitätsunterschiede brauchen wir uns an dieser Stelle wohl nicht zu unterhalten. In Re betrachteten wir ehrfürchtig die gewaltige Kirche, fuhren jedoch trotzdem weiter während es in Malesco dann den Kaffeehalt gab. Da die Bar ein Schild trug mit der Aufschrift „Bikers welcome“ fühlte sich die Gruppe natürlich angesprochen. Doch innen sah es nicht danach aus als wären schon viele mit dem Rennrad vorbei gekommen. Der Capuccino und Espresso schmeckte trotzdem. Danach ging es schonungslos weiter in Richtung Gipfel auf 918 Metern über Meer (Quelle strava.com). Links und rechts der Strasse türmten sich majestätisch die Schneeberge in die Höhe, die Strasse war nass vom Schmelzwasser und alle waren froh keine Temperaturanzeige am Velocomputer zu haben.
Oben angekommen präparierten sich alle für die Abfahrt welche unter diesen Voraussetzungen kein Schleck darstellen würde. Ziel war heil unten ankommen und keine Geschwindigkeitsrekorde anzupeilen. Bis auf zwei oder drei kleine Situationen, in welchen es etwas brenzlig wurde hatte das Quintett dann auch alles im Griff und fuhr in merklich wärmere Gefilde. Unten in Cannobio schwitzte besonders Stefan unter seiner warmen Jacke mehr als ihm lieb war. Geschwind wurde das Seeufer angepeilt und ein gemütliches Restaurant gefunden. Da wurde dann der obligate Kohlenhydrat-Teller aufgetischt mit dopingkontrollenfreundlichem Cola aus der Dose. 57 Kilometer waren zu diesem Zeitpunkt abgespult und die restlichen bis zum vollen Hunderter sollten jetzt auf dem Rückweg folgen. Doch kurz nach der Weiterfahrt kam auch schon der Wiedereintritt in die Schweiz, dazu ein Schild mit der Information dass Locarno nur noch 11 Kilometer entfernt sei. Also nix mit dreistelliger Distanz. Dafür hat es grad noch ins Hotel gereicht bevor der grosse Regen einsetzte.
Abends ging es dann noch zum gemütlichen Pizzaessen und auf einen (oder zwei) Schlummerbecher im Nachtleben von Locarno. Der Sonntag fiel dann total ins Wasser und man einigte sich nach einem weiteren ausgiebigen Frühstück auf eine frühe Heimkehr.
Was wurden für Lehren daraus gezogen?
- Im März ist das Wetter auch im Tessin gerne mal schlecht, nächstes Mal erst nach Ostern
- Kreisverkehr funktioniert auch in Italien im Gegenuhrzeigersinn
- Stefan hat lieber ein schmutziges Velo das nicht quietscht als anders rum
- Auch Nonnen gehen gerne mal feiern
Alles in allem war es ein tolles Wochenende, auch wenn das vielleicht nicht jeder Aussenstehende verstehen mag. Die Beteiligten hatten auf alle Fälle ihren Spass.